9. Workshop des Netzwerks Biographieforschung: Der Nachlass - Ergebnis von Strategien, Konventionen, Routinen und Zufällen, Institut für Europäische Ethnologie

22. April 2016

9h-14h
Institut für Europäische Ethnologie
Hanuschgasse 3, A-1010 Wien 

 

Es ist bezeichnend, dass es im Deutschsprachigen kein Verb dafür gibt, sondern nur ein Substantiv, das zudem meist im generalisierenden Singular gebraucht wird: für den

Nachlass. Die Akteur*innen und die Genese von Nachlässen geraten dadurch aus dem Blick, die Geschichten, Strategien und Zufälle hinter den Prozessen des Archivierens, Sammelns und Sortierens, aber auch des Ausblendens, Wegwerfens, ja Verheimlichens und nicht zuletzt des Aufsuchens und Auffindens durch uns als Forscher*innen. Es ist die Pluralität von Nachlässen – nicht selten existieren mehrere Nachlässe aus unterschiedlichen privaten oder institutionellen Kontexten nebeneinander – und deren Heterogenität – sie können sich aus verschiedensten Schriftstücken, Bildern und Objekten zusammensetzen –, und es sind die Entwicklungsgeschichten von Nachlässen und die Handlungsmuster von unterschiedlichen Akteur*innen in variierenden biographischen Phasen und historischen Konstellationen, über die wir im nächsten Workshop diskutieren wollen. 

Damit steht auch unsere eigene wissenschaftliche Arbeit mit Nachlässen im Fokus: unser Verständnis von Nachlass, unsere Arbeitstechniken des Auswählens und Aussortierens

(Wie gehen wir etwa mit Dingen als Teil eines Nachlasses um, wie mit der materiellen Kultur rund um die Vorgänge des Weitergebens?), forschungssystematische Momente (Wie lösen wir das systematische Problem der vielen Zufälle, die in der Entstehung und Arbeit mit Nachlässen hereinspielen, wie das Unbehagen am Zufall als Grenze unserer Systematik?) und vor allem auch forschungsethische Fragen (Wie halten wir es mit dem Umgang mit Geheimnissen, aber auch mit Widersprüchen?).