19. Workshop des Netzwerks Biographieforschung: Medialitäten des Auto-/Biographischen

03. Dezember 2021, ONLINE

Termin: 03. Dezember 2021, 9-13h

Ort: ONLINE (Institut für Zeitgeschichte und Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien)

Organisation: Monika Bernold, Julia Lajta-Novak, Renée Winter

Deadline: 18. Oktober 2021

 

Auto/Biographische Praktiken mit Medien in Verbindung zu denken scheint naheliegend. Schon in ihrer Bezeichnung findet sich mit ‚graphie’ der Verweis auf das Aufzeichnungsmedium. Die über die Schrift hinausgehende, vielfältige und sich wandelnde Mediengebundenheit des Auto/Biographischen bezeichnen wir im Plural als 'Medialitäten'. Unser Workshop schließt damit an das interdisziplinäre Nachdenken zu Auto/Biographie und Medien der letzten Jahre an. (Dünne/Moser 2008, Heinze/Hornung 2013) Mit der Ausdifferenzierung von Medientechnologien veränderten und erweitern sich die Möglichkeiten der Medialisierungsformen des Selbst. Öffentliche Inszenierungen und performative Aufführungen des Selbst haben sich entlang sich tranformierender globalisierter Medienkonstellationen zunehmend verdichtet und multipliziert. Auto/Biographisches begegnet uns in vielfach medialisierten Formen wie zum Beispiel: Buchbiographien, Briefen, dokumentarischen Filmformen, Fotoalben, Nachrufen, Partnersuchannoncen in Zeitungen, Lebensläufen/CVs (Wikipedia, Ausstellungskatalogen, Uni-Homepages etc.), Celebrity-Journalismus, Live (Self-)Performance (TedX Talks, Stand-Up Comedy, etc) & dokumentarischem Theater, Denkmälern, Home Videos, Biopics & TV-Dokumentationen, Comics, Multimedia-Installationen, auto/biographischen Songs, Social Media und Youtube Videos (Draw my life).

 

Als gemeinsamer Bezugspunkt und Diskussionsmaterial soll in diesem Workshop kein theoretischer Text, sondern ein Video stehen, das Fragen nach Medialität und Auto/Biographie aufwirft und, so hoffen wir, diskutierbar macht. In den Electronic Diaries 1984-1996 – First Person Plural[1] thematisierte die feministische Medienkünstlerin Lynn Hershman Leeson mediale Bedingungen des auto/biographischen Sprechens, damit verknüpfte politische und historische Kontexte, sowie subjektivierende und identitätskonstituierende Funktionen der Auto/Biographie. Da Hershman Leesons Arbeit einem mittlerweile historischen Medienkontext zuzuordnen ist, zugleich aber wichtige Ausblicke auf gegenwärtige Medienstrukturen bietet, scheint uns ihr Videomaterial ein lohnender Ausgangspunkt zu sein, um zu Beginn des Workshops am Material gemeinsam folgende Fragen zu stellen und zu diskutieren:

  • Wie hat sich die Mediengebundenheit auto/biographischer Praktiken historisch verändert und was bedeutet die mediale Formatierung von Gesellschaft für die wissenschaftliche und methodische Arbeit mit auto/biographischem Material?
  • Wie greifen verschiedene Medien des Auto/Biographischen ineinander oder bedingen einander?
  • Inwiefern fungieren spezifische Medien und Re-Mediatisierungen des Selbst als Versprechen auf Authentizität?
  • Welche Bedeutungen kommen in diesem Zusammenhang Affekt und Emotionen zu?
  • Inwiefern haben verschiedene Medialisierungen des Selbst heteronormative Geschlechterordnungen herausgefordert, visuelle Stereotypen der Zweigeschlechtlichkeit unterlaufen oder gegenderte Seh- und Sichtbarkeitsverhältnisse dekonstruiert bzw. fortgeschrieben?
  • Was kann die Einbeziehung des Medialen für queer/feministische Auto/Biographieforschungen leisten?
  • Inwiefern bedingen spezifische Medialisierungsformen des Auto/Biographischen die Dekonstruktion von essenzialistischen Dualismen, Universalismen und Identitätspolitiken?
  • In welchem Zusammenhang stehen Medialitäten zur Ausprägung bestimmter auto/biographischer Genres?

 

Für den Hauptteil des Workshops laden wir Sie ein, Papers einzureichen, die sich mit einer oder mehreren der genannten Fragen auseinandersetzen. Wir freuen uns über Vorschläge für Präsentationen und Beiträge von 10-15 Minuten aus allen disziplinären Feldern der Auto/Biographieforschung. Bitte schicken Sie Titel, Abstract (max 1500 Zeichen) und Kurzbio (max 500 Zeichen) bis 18.10.2021 an renee.winter@univie.ac.at

 

 

Video und Literatur:

Lynn Hershman Leeson: Electronic Diaries 1984-1996: First Person Plural, 1996, 74 Minuten. Online: https://fourthree.boilerroom.tv/film/electronic-diaries-part-1

Jörg Dünne/Christian Moser, Hrsg. 2008. Automedialität: Subjektkonstitution in Schrift, Bild und neuen Medien. Paderborn: Fink.

Carsten Heinze/Alfred Hornung, Hrsg. 2013. Medialisierungsformen des (Auto-)Biografischen. Konstanz/München: UVK.

David E. James: Lynn Hershman: The Subject of Autobiography, in: Michael Renov, Erika Suderburg (Hg.), Resolutions. Contemporary video practices, Minneapolis/MN 1996, 124-133.

 

 

Programm:

9:00-9:15 Begrüßung, Einleitung

9:15-10:30 Präsentationen und Diskussion:
• Leonie Kapfer (Wien): Potentiale des Autofiktionalen in audiovisuellen
Medien
• Roman Synakewicz (Wien): The free soul is rare. Autobiografische
Performance in der Oper
• Katha Alexi (Lüneburg): “The Band Is with Me“. Abgrenzungen von der
Figur des Groupies in Autobiografien von Rock-Akteurinnen in
Nordamerika – Selbstpositionierungen im Wandel

10:30 Pause

10:45-12:00 Präsentationen und Diskussion:
• Sophie Mayr (Wien): Biografie und/als Fototext
• Melanie Unseld (Wien): Frauenbiographien in medialen
Überschreibungen. „Leben oder Theater?“ von Charlotte Salomon
• Nadja Rothenburger (Bern): Dezentrierte ,Selbst‘-Aneignung – La
Ribots Panoramix (1993-2003) Pause

12:15-13:15 Gemeinsame Diskussion zu
• Lynn Hershman Leeson: Electronic Diaries 1984-1996: First Person Plural (1996, 74 Minuten) und allen Beiträgen.

 

13:15-13:30 Abschluss und Ausblick

 

 


[1] Online: https://fourthree.boilerroom.tv/film/electronic-diaries-part-1